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Außergewöhnliche Witterungsereignisse als mögliche Auslöser der
Buchenerkrankung
von Dr. J. Block, Dezember 2003
Die Beobachtung, dass die Schadsymptome der
Buchenrindennekrose in der gesamten Region nahezu gleichzeitig oder kurz
hintereinander beobachtet wurden, legt die Vermutung nahe, dass die
Schäden möglicherweise durch ein regionales Schadereignis ausgelöst oder
zumindest zeitlich synchronisiert wurden. In Betracht kommen hierbei vor
allem außergewöhnliche Witterungsereignisse wie Frost, Hitze oder
Trockenheit.
Zur Prüfung dieser Hypothese werden im Rahmen des Projekts meteorologische
Messdaten aus der Programmregion zusammengetragen und aufbereitet.
Verfügbar sind Daten von eigenen Messstationen der beiden Projektpartner
ergänzt um Daten der jeweiligen nationalen Wetterdienste. Nachfolgend
werden erste Bewertungen besonders relevant erscheinender
Witterungsverläufe dargestellt. Analysiert wurde insbesondere der
Witterungsverlauf im Herbst 1998. HUART und RONDEUX (2001) halten den
extremen Frost Mitte November 1998 für einen entscheidenden Auslöser der
Buchenerkrankung. Nach ihrer Argumentation hat dieses Frostereignis bei
nicht ausreichender Winterhärte der Buche Rindennekrosen herbeigeführt.
Entsprechend der vorherrschenden Windrichtung seien die Schäden
vornehmlich an der Nordseite der Stämme entstanden.
Die Auswertung der meteorologischen Daten für den
Zeitraum Oktober bis Dezember ergab folgende Befunde:
Im Oktober zeigt der Temperaturverlauf keine auffälligen Besonderheiten.
Nach Angaben des deutschen Wetterdienstes (Monatlicher Witterungsbericht,
Oktober 1998) war dieser Monat meist etwas zu kalt. So lagen die
Temperaturen an den im Programmgebiet DeLux gelegenen Stationen
Schneifelforsthaus um
2,5°C und Trier-Petrisberg um 0,6°C unter den
langjährigen Mittelwerten (Periode 1961 bis 1990). Auch der November 1998
begann kühl. Nach einem kurzzeitigen Temperaturanstieg am 08. und 09.
November fiel die Temperatur ab dem 16. November mit dem Einbruch von
russischer Polarluft stetig ab und erreichte am 22. und 23.11. Tagesminima
von –10 bis –16°C. Nach den Angaben des deutschen Wetterdienstes wurden an
diesen Tagen an einigen Messorten in Deutschland die bis dahin tiefsten
Minima der Lufttemperatur in der 3. Novemberdekade verzeichnet.
In der nachfolgenden Tabelle sind die Minima der Lufttemperatur im
November 1998 für Messstationen im Programmgebiet aufgeführt. Zum
Vergleich sind beispielhaft einige Daten von Messorten außerhalb des
Programmgebiets ergänzt.
Die Minimumtemperaturen variieren großräumig vergleichsweise wenig. Auch
ist keine deutliche Abhängigkeit zur Höhenlage der jeweiligen Messstation
zu erkennen. Auffällig niedrige Temperaturen waren in Belgien und
Luxemburg zu verzeichnen. Dies unterstützt die Hypothese von HUART und
RONDEUX zur Auslösung der Buchenerkrankung. Dagegen spricht, dass in
Rheinland-Pfalz kein Zusammenhang zwischen der Minimumtemperatur und dem
Auftreten der Schäden festzustellen ist. So wurde die niedrigste
Temperatur in Pirmasens ermittelt, wo bislang keine Schäden zu verzeichnen
waren. Das gleiche gilt auch für die saarländische Messstation
Neunkirchen-Wellesweiler. Gegen die Auslösung der Schäden durch dieses
Frostereignis spricht auch, dass sich die Temperaturverläufe in Regionen
mit Schäden (z.B. Hunsrück-Stationen Hermeskeil und Trier-Petrisberg;
Eifel - Stationen Eifelforsthaus, Manderscheid, Strickscheidt und Kerpen;
Sauerland - Station Brilon) und in Regionen ohne Schäden
(z.B. Donnersberg - Station Kirchheimbolanden; Pfälzerwald - Stationen
Merzalben und Pirmasens; Vogelsberg - Station Schotten) nicht erkennbar
unterscheiden.
Nach den Messdaten der in unmittelbarer Nähe zu einem betroffenen
Buchenbestand gelegenen Level II-Station Hermeskeil herrschten am 21., 22.
und 23.11. nordöstliche Windrichtungen vor. Allerdings waren die
Windgeschwindigkeiten mit 1 bis 4 m/s im Tagesmittel und Maximalwerten von
weniger als 8 m/s nur schwach bis mäßig, so dass sich hieraus keine
zusätzlichen Belastungen ableiten lassen.
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im Programmgebiet |
Land |
Station |
Höhe über NN |
Temperatur- minimum |
Datum |
Luxemburg |
Pënzebierg |
450 m |
-15,0 |
23.11. |
Luxemburg |
Waldhof |
385 m |
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Rheinland-Pfalz |
Hermeskeil |
630 m |
-10,1 |
23.11. |
Rheinland-Pfalz |
Schneifel-Forsthaus |
657 m |
-10,8 |
23.11. |
Rheinland-Pfalz |
Manderscheid |
403 m |
-11,8 |
23.11. |
Rheinland-Pfalz |
Trier-Petrisberg |
265 m |
-11,0 |
23.11. |
Rheinland-Pfalz |
Strickscheidt |
|
-12,2 |
23.11. |
Rheinland-Pfalz |
Kerpen |
550 m |
-11,4 |
23.11. |
Belgien |
Saint Hurbert |
558 m |
-12,1 |
23.11. |
Belgien |
Elsenborn |
520 m |
-15,6 |
23.11. |
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außerhalb des Programmgebiets |
Rheinland-Pfalz |
Schaidt |
131 m |
-10,6 |
23.11. |
Rheinland-Pfalz |
Kichheimbolanden |
597 m |
-9,4 |
23.11. |
Rheinland-Pfalz |
Merzalben |
550 m |
-10,3 |
23.11. |
Rheinland-Pfalz |
Pirmasens |
280 m |
-13,4 |
23.11. |
Nordrhein-Westfalen |
Brilon |
472 m |
-9,6 |
22.11. |
Nordrhein-Westfalen |
Kall-Sistig |
505 m |
-11,0 |
23.11. |
Saarland |
Neunkirchen-Wellesweiler |
236 m |
-13,8 |
23.11. |
Hessen |
Schotten |
315 m |
-11,1 |
22.11. |
Minima der
Lufttemperatur im November 1998
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Für die Entstehung von Frostschäden ist der
Abhärtungszustand (Frostresistenz zum Zeitpunkt des Frostereignisses)
ausschlaggebend. Die Frostresistenz zeigt in Abhängigkeit von der Photo- und
Thermoperiode einen charakteristischen Jahresgang (SCHÜTT et al. 1992). Im
Allgemeinen steigt die Frostresistenz im Oktober rasch an und erreicht im
Hochwinter den höchsten Resistenzgrad. Wärmeperioden innerhalb des Winters
reduzieren die Frosthärte (BRAUN 1982).
Der Temperaturverlauf im Herbst 1998 mit einem vergleichsweise kühlen
Oktober und Novemberbeginn lässt eine jahreszeitgemäße Frostaushärtung
erwarten, die auch durch die sehr kurze warme Periode am 08. und 09.11.
nicht wesentlich reduziert worden sein dürfte. Die Temperaturabnahme nach
dem 10.11. bis zum 23.11. verlief vergleichsweise stetig über einen Zeitraum
von 13 Tagen. Diese Zeitspanne dürfte eine weitere Verstärkung der
Frostaushärtung bewirkt haben. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Buchen
im November noch nicht die maximale Frostresistenz erreicht hatten, da dies
eine längere Frostperiode mit sehr niedrigen Temperaturen voraussetzt
(RADEMACHER 1985). Bei dem Novemberfrost 1998 handelt es sich nicht um einen
Temperatursturz, wie beispielsweise zum Jahreswechsel 1978/79, an dem die
Lufttemperatur innerhalb von 24 Stunden von einem Maximum von über 10°C auf
ein Minimum von unter 15°C absank (RADEMACHER 1985).
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Temperaturverlauf an
zwei Messstationen im Programmgebiet im November 1998
(Tagesmittel, -maxima, -minima der Lufttemperatur; Grad Celsius) |
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Unklar bleibt, warum dieses Frostereignis nur die
Buche geschädigt haben soll, während bei anderen, als frostempfindlicher
geltenden Baumarten wie den Eichenarten, der Esskastanie und der Robinie
keine Schäden auffällig wurden.
Von der Symptomatik her unterscheiden sich die beobachteten Schäden an der
Buche erheblich von Schäden an Eiche durch Winterfröste in den Jahren 1985
bis 1987 in Norddeutschland. Dort zeigten sich streifenweise Bastschäden an
der Südwestseite der Stämme, die meist abrupt in wenigen Zentimetern
Bodentiefe endeten (HARTMANN und BLANK 1992). Allerdings ähneln die bei der
aktuellen Buchenerkrankung aufgefallenen Weichbastnekrosen den bei
RADEMACHER (1985, Seite 153) für Apfelbäume beschriebenen Erfrierungsfolgen
in Form von „Inselnekrosen im primären Rindenparenchym“. Die bisherigen
Analysen der Witterungsdaten geben somit noch kein eindeutiges Bild. Daher
müssen die diesbezüglichen Untersuchungen weiter intensiviert werden.
Insbesondere ist zu klären, ob die gefundenen Weichbastnekrosen anatomisch
mit frostbedingten „Inselnekrosen“ an Apfelbäumen übereinstimmen. Auch
müssen die Witterungsdaten noch eingehender auf weitere, möglicherweise
schadauslösende Ereignisse analysiert werden. Zudem ist durch weitere
Jahrringanalysen zu klären, ob die Schadentstehung regional übergreifend
tatsächlich zeitlich synchronisiert war.
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